📫Ein bisschen Größenwahn (Megalomania) oder gesunde Ambitionen

Liebe Leserinnen und Leser, dear readers and music lovers!
(English version below)

Wenn es Frühling wird und draußen alles blüht, wird der Blick für das Schöne noch schärfer. Ich liebe es, neue Blüten und Blätter von ganz nah zu betrachten.

Und ich hoffe, Ihr könnt diese Zeit in vollen Zügen genießen!

Mein Kopf ist voller Ideen und so langsam nimmt das Jahr Fahrt auf. Am Ende des Newsletters findet Ihr in Kurzform die Termine.

Aber erstmal zu den Gedanken. Jedes Mal wenn ich mich an einen neuen Newsletter setze, komme ich vom Hölzchen aufs Stöckchen. Der Anfang ist leicht und dann geht’s ab ins Chaos – natürlich ins kreative ;-. Ich versuche, mich kurz zu fassen. Ich schwöre!

Bisweilen frage ich mich schon mal nach dem Sinn dieser Aktion, bin versucht, eine Kosten-Nutzen-Analyse aufzustellen, um dann doch die Zeit zu investieren, da der (wenn auch ideelle) Nutzen des Newsletter-Schreibens überwiegt.
Zum einen sortiere ich meine innere Wortwolke und gewinne Klarheit, zum anderen bereitet wohl das Lesen dieser Mails einigen von Euch durchaus Freude und Inspiration. Jedenfalls freue ich mich sehr darüber, dass Ihr dies lest und mich etliche Antworten und Feedbacks erreichen.

Ich Danke Euch und schätze das sehr! :-)

Größenwahn - Was treibt Künstler*innen an?

Anstoß für diesen Letter war ein Radiosendung, die ich im Auto auf Deutschlandfunk Kultur hörte. Es ging um Frauen im Kulturbetrieb, um Mut von der Norm abzuweichen, um Sichtbarkeit in der Kunstszene und die Hypothese, dass der Mangel an Größenwahn das Problem vieler Frauen sei.

Ich fuhr gerade auf der Autobahn, als ich dem Gespräch lauschte, konnte mir also nichts notieren und nur Bruchstücke merken.

Aber diese haben einen Gedankenprozess in Gang gesetzt.

Was ist es denn, das Künstler*innen antreibt? Klar, da ist eine Vision, etwas zu er-schaffen, ein Impuls, auf die Suche und in die Auseinandersetzung zu gehen – mit der Umwelt und sich selbst. Und das Umsetzen der Ideen in die „Tat“.

Das wirft viele Fragen aus:

1. Das Davor: Beweggründe Wo kommt das her? Wer bin ich, dass ich Kunstschaffende/r werde?

Was treibt mich an? Bin ich vermessen? Oder bin ich auf einer Mission, weil ich eine Aufgabe habe?

Ist das an dieser Stelle schon besagter Größenwahn? Oder einfach nur Schaffensdrang und gesunde Ambitionen?

2. Das Jetzt: der Akt des Kreierens an sich (des Schreibens, Komponierens, Malens, Denkens, Bastelns)

Wie komme ich in diesen beglückenden Flow? Wie strukturiere ich den Weg? Was behalte ich, was werfe ich weg? Wie befreie ich mich von der Suche nach Anerkennung? Mache ich das womöglich alles, weil ich eben diese Anerkennung suche? Darf ich das?

Bin ich mutig oder narzisstisch?

3. Und das Danach: ohne Vermarktung keine Sichtbarkeit

Bin ich groß oder auf unsympathische Art und Weise selbstverliebt?

Wieviel soll ich an Mühe und Zeit investieren, um die Ergebnisse der Welt zu zeigen?

Müsste nicht die Welt von alleine aufmerksam werden, wenn es denn richtig gut ist?

Wo hört Aktivismus auf und fängt Aktionismus an? Und wäre mehr Passivität gesünder?

Könnt Ihr hören, wie laut meine Gedanken sind?

Passivität?

Der Mensch unterscheidet sich vom Tier unter anderem dadurch, dass er sich der Zeit und der Endlichkeit bewusst ist und Zeit linear wahrnimmt. Und er will in seinem gegebenen Zeitraum „vorankommen“. Daran orientiert sich ein Großteil seines Handelns. Ein Tier denkt nicht in Zeitstrecken und arbeitet keine To-Do-Listen ab. Ja, das ist jetzt etwas polemisch, beschäftigt uns Selbständige, die wir unsere Zeit selbst einteilen, aber immer wieder.
Mit gutem Gewissen nichts zu tun, fällt den meisten schwer.
(Lesetipp: Mehr Passivität wagen – wie der Zwang, etwas werden zu wollen, unsere Seele und unsere Welt zerstört, Neue Zürcher Zeitung)

Jetzt aber genug der Fragen!
Ich finde gute Fragen brauchen nicht immer direkte Antworten und implizieren diese manchmal schon.
Über all dem künstlerischen Schaffen schwebt auch das Damoklesschwert:
die Frage nach der Profitabilität und kommerziellem Erfolg.
Von irgendwas muss man ja leben.

Und dann kommen plötzlich noch unvorhergesehenen Kosten um die Ecke.

Teure Lizenzen für Lyrik

Derzeit habe ich gerade ein richtig teures Projekt: die Vertonungslizenz zu einem Gedicht von Maya Angelou.
Übrigens lohnt es sich, mal Gedichte von ihr zu lesen!

Zu Beginn der Corona-Zeit 2020 fand ich das wunderschöne Gedicht „Alone“ und improvisierte dazu spontan nur mit der Stimme und nahm es auf. Die Melodie ist schön geworden, so dass ich beschloss sie aufzuschreiben und zu harmonisieren, also Akkorde und Begleitung dazu zu schreiben.
Letztes Jahr ist dann im Rahmen des neuen „Madame Pele Projekts“ eine Studioaufnahme mit Barbara Jungfer an der Gitarre entstanden.
Wenn ich dieses Werk veröffentlichen möchte, brauche ich natürlich die offizielle Vertonungslizenz. In Deutschland läuft das alles über die Gema, aber hier geht’s um amerikanisches Recht. Nach langen Recherchen habe ich dann den Verlag und die Rechteinhaber an den Werken von Maya Angelou gefunden und lange Emailkorrespondenz mit der Agentur geführt, da ich diesen Song unbedingt irgendwann veröffentlichen möchte.
Natürlich muss ich dafür zahlen. Das war mir klar!

Und jetzt haltet Euch fest:
Die wollen alleine für die Vertonung einen vierstelligen Betrag von von mir, plus Tantiemen für Downloads, Einnahmen jeglicher Art (ich erspare Euch die juristischen Details) plus eine Gebühr für die Erlaubnis der Live-Performance.
Mein Schock hat sich gerade schon wieder etwas gelegt.
Aber ist das nicht heftig?

So, jetzt habe ich einer Anwältin für Urheberecht diesen Vertrag gezeigt, die mir geraten hat, zu verhandeln und das so nicht zu akzeptieren.
Das habe ich versucht. Erst sachlich, dann emotional. Kein Erfolg.
Es geht inzwischen über Wochen hin und her. Wahrscheinlich wäre das anders, hätte ich ein großes Plattenlabel im Hintergrund.

Ich bin aber leider allein und in einer sehr schwachen Position. Entweder ich akzeptiere deren Bedingungen oder ich lasse die Komposition verschwindet in der Schublade.
Es bleibt mir nichts anderes übrig, als auf die Forderungen einzugehen und zu zahlen.

Viele, denen ich davon erzähle, sagen, sie würden diese Summe nicht zahlen.
Stelle ich hier eine Kosten-Nutzen-Rechnung auf, müsste ich das wirklich ablehnen.
Höchstwahrscheinlich werde ich zu Lebzeiten die Kosten nie durch Downloads oder Streams wieder reinbekommen.
Und dennoch – ich muss es einfach machen, denn um Profit geht’s schließlich nicht (nur).

Größenwahn, Verschwendung, Wahnsinn, whatever!

Ich halte Euch auf dem Laufenden, was draus wird. Jedenfalls war ich in meiner Künstlerinnenehre verletzt, nachdem ich die Aufnahme dort hingeschickt hatte und sie mir mitteilten, dass sie täglich Hunderte solcher Anfragen bekämen und sie mir nur den Standardvertrag anbieten können, den ich so unterschreibe oder eben nicht. Und dann entscheidet der Klient noch, ob er das so genehmigt.

Drückt mir bitte die Daumen!

Und hier für Euch das Stück, um das es geht. Bevor es veröffentlicht wird, wenn ich denn irgendwann die Lizenz bekomme, könnt ihr es Euch schon anhören.
Aber nicht weitergeben. Das ist noch geheim und illegal!

Gedicht "Alone" von Maya Angelou, Barbara Jungfer an der Gitarre,
Musik und Gesang von mir.

Termine / Dates:

30. April 2023 um 11 Uhr
Duo Britta Rex & Erwin Kühn, Brunsviga, Braunschweig
Anmeldung

8. Mai 2023 um 19 Uhr
Open Circle Singing, Hamburger Str. 268, BS

03. Juni 2023
Britta Rex Quartett, TU Bigband, Jan-Heie Erchinger u.a. @ Charity Jazz Festival, Hallenbad Wolfsburg
Tickets

10. Juni 2023 um 17 Uhr
Hannover Brass und Kollegium SZ, Musikschuljubiläum Musikschule Salzgitter Eröffnung, Kulturscheune Salzgitter-Lebenstedt

11. Juni 2023 um 16 Uhr
Duo Britta Rex & Erwin Kühn @ Heinrichs, BS

15. Juni 2023 um 19:30 Uhr
Gentle Voices meet Bigband “clean, fine and funky” (H), Kulturscheune Salzgitter

27. Juni 2023
TU Bigband feat. Britta Rex, Haus der Wissenschaft TU Braunschweig

13. Juli 2023 um 19 Uhr
DUO Rex & Kühn feat. Annett Becker (Sax, Fl), Hinter Aegidien, BS

14. Juli 2023
Britta Rex Quartett, Marburg

15. Juli 2023
Workshop Vokal-Impro Marburg

23. Juli 2023
Meeting Madame Pele
@ Kultursommer Salzgitter, Mühlengarten Salder

2.-9. September 2023
Entdeckungsreise Stimme in Italien
Perugia, Umbrien
Infos und Anmeldung
Agriturismo Il Corniolo

16. September 2023
Jazz im Schloss Ovelgönne, Heiko Biermann und Band

Dear readers and music lovers!

When it's spring and everything is blooming outside, the eye for beauty becomes even sharper. I love to look at new blossoms and leaves from very close.
And I hope you can enjoy this time to the fullest!

My head is full of ideas and the year is slowly picking up speed. At the end of the newsletter you will find the dates in short form.

But first to the thoughts. Every time I start a new newsletter, I get from the little stick to the little stick. The beginning is easy and then it's off into the chaos - of course into the creative one ;-. I try to keep it short.

And of course in between I ask myself again and again about the sense of this action, am tempted to set up a cost-benefit analysis, only to invest the time after all, because the (albeit ideal) benefit outweighs. On the one hand I sort out my inner word cloud and gain clarity, on the other hand reading these mails probably gives some of you pleasure and inspiration. In any case, I am very happy that you are reading this and that I receive many answers and feedbacks.

Thank you! I appreciate it very much!

What drives us

The impetus for this letter was a radio program I heard in the car on Deutschlandfunk Kultur. It was about women in the culture industry, about courage to deviate from the norm, about visibility in the art scene and the hypothesis that the lack of megalomania is the problem of many women.
I was driving on the highway listening to the conversation, so I couldn't take notes and could only remember bits and pieces.
But these started a thought process.

What is it that drives artists? Of course, there's a vision of creating something, an impulse to go in search of something and to engage with it - with the environment and oneself. And the implementation of the ideas into "action".
It raises many questions:

1. the before: motives
Where does this come from? Who am I to become an artist?
What drives me? Am I presumptuous? Or am I on a mission because I have a task?
Is this at this point already said megalomania? Or simply
creative urge and healthy ambitions?

2. the now: the act of creating itself (of writing, composing, painting, thinking, tinkering)
How do I get into this exhilarating flow? How do I structure the path? What do I keep, what do I throw away? How do I free myself from the search for recognition? Am I possibly doing all this because I am seeking this very recognition? Am I allowed to do this?
Am I courageous or narcissistic?

3. and afterwards: without marketing no visibility
Am I great or am I self-absorbed in an unsympathetic way?
How much effort and time should I invest to show the results to the world?
Shouldn't the world take notice on its own if it's really good?
Where does activism end and actionism begin? And would more passivity be healthier?

Man differs from animals, among other things, in that he is aware of time and finiteness and perceives time linearly. And he wants to "get ahead" in his given time period. A large part of his actions is oriented to this. An animal does not think in time distances and does not work off to-do lists. Yes, this is a bit polemical, but it is always a concern for us self-employed people who divide up our time ourselves. It is difficult for most of us to do nothing with a clear conscience. (Reading tip: Dare to be more passive - how the compulsion to want to become something destroys our soul and our world, Neue Zürcher Zeitung.

But now enough of the questions! I think good questions do not always need direct answers or sometimes already imply them.

Above all this hovers the sword of Damocles: the question of profitability and commercial success.
You have to live from something.

And then there are the unforeseen costs.
At the moment I have a really expensive project: the license for setting music to a poem by Maya Angelou.
At the beginning of the Corona period in 2020, I found the beautiful poem "Alone" and spontaneously improvised to it using only my voice and recorded it. The melody became beautiful, so I decided to write it down and harmonize it, that is, write chords and accompaniment to it.
Then last year, as part of the new "Madame Pele Project", a studio recording was made with Barbara Jungfer on guitar.
If I want to publish this work, I need the official scoring license, of course. In Germany this is all done by Gema, but here it's American law. After a lot of research, I found the publisher and the rights holders to the works of Maya Angelou and had long email correspondence with the agency, because I really want to publish this song someday.
Of course, I have to pay for it. That was clear to me!
Now brace yourselves:
They want a high fee like over 1000,- $ for the musical setting alone, plus royalties for downloads, income of any kind (I'll spare you the legal details) plus a fee for permission to perform. My shock has just worn off. But isn't that a lot?

So, now I've shown this contract to a copyright lawyer, who advised me to negotiate and not accept this as it is. I tried that. First factually, then emotionally. No success. It has been going back and forth for weeks now.
I am in a very weak position and either I accept their terms or I let the composition disappear into nirvana.
It seems that I have no choice but to agree to the demands and pay.
Many people I tell about it say they would not pay this sum.
If I make a cost-benefit calculation here, I would really have to refuse.

Most likely, I will never recoup the cost through downloads or streams in my lifetime.
And yet - I just have to do it, because that's not the point.
Delusions of grandeur, waste, insanity, whatever you want to call it!

I'll keep you posted on how it turns out. Anyway, I was a bit hurt in my artist honor, when they told me that they get hundreds of such requests every day and they can only offer me the standard contract, which I sign so or not. And then the client decides whether to approve it that way.
Please keep your fingers crossed for me!

And here for you the piece it is about.
Before it will be published, if I get the license someday, you can already listen to it. But don't pass it on. It's still secret!

Best wishes and a good portion of self-confidence to all of you (it doesn't have to be megalomania!).

Love, Britta

"Alone": Poem by Maya Angelou, Music by me, Barbara Jungfer on guitar: